Chris De Bié - Storia Theurgica - The Hippie trail - www.storiatheurgica.net
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Storia Theurgica
The Hippie trail


Einleitung

- _1. Die Flucht
- _2. Tor zu Asien
- _3. Persien
- _4. Afghanistan
- _5. Pakistan
- _6. Indien
- _7. Nepal
- _8. Zurück nach Europa
4. Afghanistan

Herat - Kabul - Bamiyan - Khyber-Pass

 
Khyber Pass
 

Es herrschte ein fast tropisches Klima in Jalalabad und deshalb wuchsen hier auch diese köstlichen kleinen Bananen.

Es ging immer höher den Hindukush hinauf. Für mich wurden die zu erklimmenden Pässe zu Metaphern. An diesem schlachterprobten Ort dachte ich an die Schwierigkeiten die ich überwunden hatte und die noch zu meistern waren.

Ich dachte an meine eigene Junkgeschichte die erst vier Jahre zurücklag. Zwei Jahre lang war ich Morphium-Abhängiger und kam wegen Rezeptfälschung schließlich in die geschlossene Psychiatrie nach Düren. Hier war man noch eingeschränkter als in einem Gefängnis. In einem Haus mit Sexualmördern und anderen mehr oder weniger gefährlichen Kranken auf einem trockenen Entzug. Der Tagesablauf beschränkte sich auf das Warten auf die Mahlzeiten und zwei Stunden Fernsehen oder Poolbillard am Nachmittag. Als ich einmal den Wunsch zu malen äußerte wurde es abgelehnt mit den Worten:
"Du könntest ja die Farben essen!"
 

 
 
STEINKALTE WAHRHEIT

Musik von George Zoomar Gould
 
"Kalte weiße Wände
verdrängen die Süße der mich umhüllenden Taubheit!
In schreienden einsamen Hallen
welken die betäubenden Blumen denen ich verfallen!
Eine steinkalte Wahrheit
an der meine Jugend zerbricht!
Der sanfte Regen ist vergangen
und grünes Eis kriecht jetzt über mich!
Mutter, bitte tröste mich,
und sage mir wohin ich mich verirrte!"
  George Zoomar Gould

 
 
 
"Steinkalte Wahrheit"
Digitales Bild von George Zoomar Gould
Gedicht von Adrian Ouarar

In diese Lethargie platzte ein Kongress von Bewährungshelfern. Bei einem Rundgang äußerten sie den Wunsch einige Junkies kennen zu lernen.

Wir gingen zu dritt in eine mit Hunderten von fremden Menschen gefüllte Aula. Ich war der Letzte der sich auf einen einsamen Stuhl vor die Menge hinsetzte. Links neben mir saß der leitende Professor hinter einem großen Schreibtisch. Ich erzählte Ihnen u.a. von den fehlenden Möglichkeiten seine Kreativität ausleben zu können. Während meiner Schilderungen wurde ich immer wieder von Prof. Werner unterbrochen. Meine Zuhörer aber klopften auf die Pulte und spornten mich an weiter zu erzählen. Meine beiden Vorgänger schienen sich nicht getraut zu haben.

Zwei Wochen später kam eine Bewährungshelferin aus Köln vorbei. Sie brachte mir Zigaretten und ein Nachrichtenmagazin mit, die natürlich vorher gründlich durchsucht wurden.
"Sie sind uns aufgefallen und wir würden Ihnen gerne helfen."
"Danke. Hier fühlt man sich so allein gelassen. Ich bin doch kein Schwerverbrecher. Wegen meiner Sucht habe ich ein Rezept gefälscht. Man mag vielleicht 'clean' sein wenn man entlassen wird aber die meisten Süchtigen fangen danach erst Recht wieder an. Hier kommt man nicht unbeschadet raus. Ich würde gerne meine Gefühle zum Ausdruck bringen. Hier bekommt man noch nicht einmal einen Bleistift oder Kugelschreiber. Von Farben will ich gar nicht reden."
"Ich weiß das und werde versuchen eine Lösung zu finden. Nächste Woche komme ich wieder."
Eine Woche später begrüßte sie mich lächelnd.
"Ich kenne einen Dozenten von der Fachhochschule für Kunst & Design. Wenn Sie sich für die Aufnahmeprüfung anmelden würden bekommen wir vielleicht eine Ausnahmegenehmigung. D.h. Sie dürften malen, aber wahrscheinlich unter Aufsicht."
Ich lachte Tränen und erwiderte mit nassen Augen:
"Damit ich nicht die Farben fressen kann."
Wir mussten beide lange lachen.
"Das wäre wirklich super. Ich weiß nicht ob ich wirklich so gut bin, ob ich überhaupt studieren will, aber alleine die Möglichkeit. Das wäre der Wahnsinn."
Sie umarmte mich bei der Verabschiedung.
"Wenn wir schon in einem Irrenhaus sind. Das kriegen wir schon hin."
Nach drei Tagen kam sie vorbei mit Acrylfarben, Buntstiften, Pinsel, Papier und grundierten Leinwänden vorbei.
"Jetzt zeigen Sie mal was Sie drauf haben."
"Danke. Jetzt ist es eine Herausforderung! Ich werde Sie nicht enttäuschen!"

Die verbleibenden sechs Wochen bis zur Abgabefrist für die Aufnahmeprüfung durfte ich mich fast alleine im Gemeinschaftsraum kreativ austoben. Für die Musik sorgte meine Mutter die mir einen Kassettenrecorder kaufte. Mit meinen bescheidenen malerischen Fähigkeiten wagte ich mich an schwierige Themen wie Rassenwahn und Umweltverschmutzung ran.

Die Nachricht dass mein Prozess zwei Wochen nach der Prüfung stattfinden sollte liess mich noch motivierter und konzentrierter arbeiten. Es wurde mir klar dass ein Studienplatz mir die Freiheit bringen könnte. Meine Anstrengungen wurden belohnt. Ich bestand die Prüfung und wurde zu genau den verbüßten fünf Monaten verurteilt.

Umgeben von neuen Freunden und mit einer neuen Aufgabe genoss ich die wiedererlangte Freiheit. Am Ende des zweiten Semesters wählte jeder ein Fachgebiet und musste dafür eine Bewerbungsarbeit machen. Ich entschied mich für Bühnenbild. Da ich gerade indische Märchen las suchte ich eines davon aus und begann ein Modell für eine zweigeteilte Drehbühne zu bauen. Auf einer Seite ein auf einer Säule gebauter Palast (weil der König ein Attentat befürchtete) und auf der Anderen einen Dschungel. Ich studierte Indische Architektur und die Flora und Fauna. Den Königspalast fertigte ich aus gedrechseltem Hart-Schaumstoff den ich mit Gips überzog. Während der Arbeit am Dschungel lernte ich Fritz und seine Freunde kennen. Sie wollten einen Bus kaufen um diesen gewinnbringend in Afghanistan zu verkaufen um damit die Weiterfahrt nach Indien zu finanzieren und suchten noch einen Mitreisenden. Spontan entschloss ich mich mitzufahren. Wir kauften einen Polizei-Bus auf dem wir das Geländer eines Feuerwehr-Autos montierten. Das war der Start zu meiner ersten Morgenlandfahrt.

Als Junkie in die Psychiatrie und dadurch zur Kunst -
und durch ein Bühnenbild nach Indien.

Jetzt war ich wieder 'on the road'. Kurz vor Indien.
Die zwei Opiumpfeifen in Kabul waren ein Test für mich. Das Gefühl nach dem ich einmal süchtig gewesen war empfand ich als unangenehm. Ich hatte wie erwartet den Test bestanden. Es war nicht mehr mein Ding. Jetzt strebte ich nach höheren Bewusstseinsebenen.


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  Adrian Ouarar

 
 
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© by Chris De Bié admin: 17.03.2019