Chris De Bié - Storia Theurgica - The Hippie trail - www.storiatheurgica.net
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Storia Theurgica
The Hippie trail


Einleitung

- _1. Die Flucht
- _2. Tor zu Asien
- _3. Persien
- _4. Afghanistan
- _5. Pakistan
- _6. Indien
- _7. Nepal
- _8. Zurück nach Europa
4. Afghanistan

Herat - Kabul - Bamiyan - Khyber-Pass

 
Herat

Nach der afghanischen Grenze, auch 'Islam Quala' genannt, konnte man auf der anderen Straßenseite ein Schild sehen:
YOU BETTER THROW ALL YOUR HASHISH AWAY!
Das war eine eindeutige Warnung. Und eine faire Geste. Selbst wenn jemand diese Grenze glücklich passierte - die persische und die türkische Grenze waren nicht minder gefährlich. Die Qualitätsunterschiede der Gefängnisse in diesen Ländern waren nicht sehr groß!

Auf einer schlechten von den Russen gebauten Strasse ging es nach Herat. Als ich die fünf alten Minarette sah, entschloss ich mich spontan auszusteigen. Der Bus fuhr direkt über Kandahar bis Kabul und liess Herat rechts liegen. Ich verabschiedete mich von einigen Gefährten. Antoine rief mir hinterher:
"Remember, Anjuna-Beach!".

Ich lief in der Abenddämmerung alleine bis Herat und genoss die Stille, die Einsamkeit, die endlich angenehmere Temperatur und fühlte mich wie in eine Geschichte aus 'Tausend und eine Nacht' versetzt. In der Ferne sah man einige Lichter und das Leuchten von kleinen Feuern. Trommeln waren zu hören und ich fühlte mich berauscht vom Geruch der Wüste.
 
 

 
 
 

Türme von Herat
Digitale Foto-Collage von Matthias Jonathan


Hinter mir glaubte ich eine Bewegung zu spüren. Ich drehte mich um und sah den Umriss einer Gestalt mit einer merkwürdigen Kopfbedeckung. Jetzt wurde mir doch etwas mulmig und ich beschleunigte meine Schritte. Aber auch mein Hintermann wurde schneller. Es näherte sich ein LKW und beleuchtete für eine Weile die Straße, und mein Verfolger schien verschwunden zu sein.

In Herat empfing mich der angenehme Duft von bunten Gewürzen, brennendem Holz, und von fein aufgehäuften Früchten, über denen ein stolzer bärtiger Greis thronte. Aber es stank auch unangenehm nach Fäkalien und altem Fleisch, auf denen sich Schwärme von Insekten tummelten, und verbrannten Autoreifen. Eine Weile schaute ich drei Kindern zu, die aus alten Reifen Sandalen und Wasserbehälter fertigten. Die kleinen Reste wurden verbrannt. Ungesund für die Leute und die Umwelt. Holz war hier sehr kostbar. Ein Alter, wahrscheinlich der Vater, wollte mich zum Tee einladen, doch der stinkende Qualm ließ mich flüchten.

Überlebens-Kunst und aus der Not geborenes Recycling!
Kameldung wird als Brennmaterial genutzt, weggeworfene Tüten werden wieder verwendet solange es möglich ist und aus Blechdosen wird Spielzeug gemacht.

Zweirädige von Ponys gezogene Wagen beförderten Lasten und Leute...
  Matthias Jonathan

 
 
 

Ponywagen
Foto von Hans Grimm - 1975

...und die arbeitslosen Kamele dösten am Straßenrand vor sich hin.
  Hans Grimm

 
 
 

Kamele

Ich nahm ein Zimmer oder besser ein Bettgestell in einem der wenigen Hotels. Die meisten hungrigen Westler werden die Kebab-Spieße genossen haben, doch für mich als Vegetarier blieb nur Reis und Brot. Also ging ich zum Obsthändler und kaufte mir ein paar kleine goldgelbe Bananen aus Jalalabad. Süß und aromatisch. Genauso so köstlich wie das Naan, einem Brot aus Weizenvollkornmehl. Die langen Teigfladen werden auf einer Seite befeuchtet, an die Innenwand des Backofens aus Ton, dem Tandoor, gedrückt und gebacken.
  John Bower

 
 
 

Naan
Fotos von John Bower - 1972


Mit einem Tee zusammen war es ein köstliches Mahl, und ich genoss es in einer seltsamen Runde, aus der mir eine Hookah angeboten wurde. Im Raum, der nur von nur zwei Petroleum-Lampen, dem Grillfeuer und der nicht verlöschenden Glut der Wasserpfeife erleuchtet wurde, saßen ein Dutzend Afghanen und zwei Freaks. Einer hockte alleine in einer Ecke, schien von allen gemieden zu werden und wirkte apathisch. Der Andere saß inmitten einer Gruppe von Afghanen und wirkte etwas hilflos. Ich lud ihn zu einem Tee ein und er setzte sich neben mich.

Stefan kam aus Hamburg und kramte aus seiner Hosentasche ein Stück Dope und Zigarettenpapier.
"Super, diese Pfeifen knallen direkt so rein. Wo hast Du denn die Blättchen her?"
"Die hat mir ein Italiener dagelassen, der nur noch Hookah rauchen wollte. In Herat findest Du keine."
Wir rauchten einen guten Joint zusammen, und ich fragte ihn, wo ich ein paar Gramm kaufen könnte.
"Ich kann Dir etwas verkaufen, weil ich Geld brauche um nach Kabul zu kommen."
"Hast Du kein Geld mehr?"
"Ach, als ich vorgestern Abend hier ankam, bin ich überfallen worden, und man hat mir eine kleine Tasche mit Pass und Reiseschecks geklaut. Mir ist nur meine Geldbörse mit kleinen Dollarscheinen geblieben. Das reicht noch nicht mal für eine Busfahrkarte zur Deutschen Botschaft in Kabul."
"Wo ist das passiert?"
"Kurz vor dem Ortseingang wollte mir jemand was verkaufen. Als ich das Stück begutachtete, riss er mir die Tasche von der Schulter und verschwand in der Wüste. Ich bin dann zur Polizei gegangen, die mich aber nur anlächelten und sowieso kein Englisch verstanden. 'Go Embassy Kabul' wiederholten sie nur."
"Wie sah der Dieb aus?"
"Wie alle Afghanen, mit einem langen Bart, ach ja und mit einer Art Militärmütze. Das ist das teuerste Haschisch meines Lebens und legte es in meine Hände. Fünf Gramm werden es gewesen sein.
Ich erzählte ihm von meinem Erlebnis. Die merkwürdige Kopfbedeckung war eine Militärmütze. Ich teilte das Stück und gab ihm die Hälfte zurück.
"Mit zehn Dollars dürftest Du bis Kabul kommen."
"Danke Chris. Auf einen wie Dich habe ich gewartet. Hier hilft einem keiner. Der Typ in der Ecke ist ein Junkie. Manchmal verschwindet er auf sein Zimmer um sich einen Schuss zu setzen, um dann hier, halb schlafend, rumzuhängen. Den hab ich nie draußen gesehen."
"Da hab ich wahrscheinlich Glück gehabt. Jetzt weiß ich, warum ich ausgestiegen bin. Das war ein teures Ticket bis Kabul, was ich da verschenkt habe. Von dem Geld können wir beide mit den hiesigen Bussen bis Kabul kommen. So konnte ich Dir helfen und bin gewarnt. Hast Du schon gegessen?"
"Ein bisschen. Hatte bis jetzt auch keinen richtigen Appetit. Ich bin übrigens auch Vegetarier."
"Dann kaufen wir ein paar Früchte."
Brot und Tee begleiteten die Bananen, Äpfel und getrockneten Aprikosen.
Ich erzählte ihm meine Geschichte.
"Wow! Chris... auf was hast Du Dich da eingelassen! Was für ein Abenteuer! Ich kann immerhin noch zur Botschaft gehen. Die müssen mir helfen. Aber Du? Ich bin müde. Danke, dass ich beruhigter einschlafen kann. Gute Nacht, mein Freund."
"Gute Nacht Stefan."

Ich konnte nicht schlafen und wartete bis zum Sonnenaufgang, um einen Bus nach Kabul zu nehmen. Die Sehenswürdigkeiten kannte ich ja schon von meiner letzten Reise, die erst 2 Jahre zurücklag.
 

 
 
 

Alte Festung

 

 
 
 

Moschee
Fotos von Hans Grimm - 1975


Ich sicherte mir einen Platz in einem uralten Bus. Die Afghanen waren mit dem Verstauen Ihrer Fracht beschäftigt. Die verbliebende Zeit nutzte ich, um in der Wüste der aufgehenden Sonne entgegenzugehen.
Berauscht von den Farben, den Gerüchen und dem Wahnsinns-Dope fühlte ich mich in eine andere Zeit oder besser in eine andere Dimension versetzt.
"Hey mister!" wurde ich zurückgerufen. Ich setzte mich in den Bus und fand einen Platz zwischen einem alten Mann und einem riesigen Paket.


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© by Chris De Bié admin: 17.03.2019