Chris De Bié - Storia Theurgica - The Hippie trail - www.storiatheurgica.net
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Storia Theurgica
The Hippie trail


Einleitung

- _1. Die Flucht
- _2. Tor zu Asien
- _3. Persien
- _4. Afghanistan
- _5. Pakistan
- _6. Indien
- _7. Nepal
- _8. Zurück nach Europa
6. Indien

Amritsar - Haridwar - Rishikesh - Manikaran - Pushkar
Bombay - Goa - Hampi - Dharamsala - Gorakhpur

 
Manikaran

Am nächsten Morgen fuhr ich über Haridwar zurück nach Delhi. Dort verbrachte ich ein paar Tage im Tourist-Camp in der Nähe vom Delhi Gate gegenüber dem LNJP Krankenhaus. Es ist ein großes Gelände mit vielen kleinen Häuschen, alle mit einem TV ausgestattet, und viel Platz für Camper und Zelte. Indern ist der Zutritt zum Gelände nicht erlaubt! An der Rezeption hing ein Schild mit der Warnung:
"Gebrauchen Sie keine Drogen, sonst werden Sie konfrontiert mit den Gesetzen unseres Landes".
Hier traf ich einen Deutschen der von Manikaran schmärmte.
"Das ist noch nicht so überlaufen wie Manali. Dementsprechend gibt es aber noch keine Hotels oder Restaurants."
"Das ist auch nicht so wichtig. Für eine unzerstörte Natur und ein authentisches Dorfleben nehme ich das gerne in Kauf."
"Vergesse nicht in Bhuntar auszusteigen. Wünsche Dir unvergessliche Erlebnisse."
"Danke Dir für den wertvollen Tipp!"

Am Connaught Place kaufte ich mir ein Bus-Ticket nach Bhuntar und deposierte dort mein Gepäck. Die Wartezeit nutzte ich zu einem Ausflug zum Red Fort, einer imposanten Festungs- und Palastanlage aus der Epoche des Mogulreiches. Das war wahrlich ein beeindruckendes Beispiel für deren Baukunst und Herrscherschaft. Ich versuchte mir die verschwenderische Pracht vorzustellen, mit seinen tausenden Bediensteten und den obligatorischen Haremsdamen. Dekadente Herrscher die ihre Macht auf Sklaventum aufbauten.
 
 

 
 
 

Red Fort
Foto von Robert Fraisl

Zusammen mit vielen anderen Freaks stieg ich in den Bus nach Manali, das für seinen Charas berühmt war! Ich bat den Fahrer mir Bescheid zu geben, wann ich austeigen müsste. Und er erwiderte mit einer Geste die alle Deutungen offen ließen. Den Kopf ein bisschen nach rechts und links, ein bisschen nach oben und unten. War das ein Kopfnicken oder Kopfschütteln? Es war eher ein hin- und herwiegen und konnte selbst in Indien, wo diese Gesten ja gegenteilige Bedeutungen als im Westen haben, sowohl "Ja" als auch "Nein" bedeuten. Also achtete ich auf die Wegweiser. Ich wusste dass Bhuntar ca. 40 km von Manali entfernt war und stoppte den Fahrer kurz davor. Er hätte es vielleicht sogar übersehen, bewusst oder unbewusst. Ich war der Einzige, der in Bhuntar, kurz vor Kullu ausstieg. Dann musste Manikaran wirklich noch ein Geheimtipp sein!
  Robert Fraisl

 
 
 

Bhuntar

In Bhuntar wartete ich nun einige Stunden als Einziger in einem Restaurant auf den Bus zum Endziel. Der Besitzer bot mir direkt Haschisch in jeder Menge an. Ich begnügte mich mit ein paar Gramm. Er lobte meinen Entschluss, nicht nach Manali gefahren zu sein, und erzählte von Manikaran. Der Legende nach lebten Shiva und Parvati über tausend Jahre hier, weil sie diesen Ort so sehr liebten. Bis eines Tages Parvati beim Baden im Fluß einen der Edelsteine (Mani) verlor, die sie in ihrem Ohrring trug. Als Shiva's Suche erfolglos blieb, öffnete der wütende Gott sein drittes Auge, was zur totalen Zerstörung geführt hätte. Das Schlimmste fürchtend, baten die Götter Shesh Nag, den Schlangengott, nach dem verlorenen Stein zu suchen. Der zischte und zischte und schuf Luftblasen und heißes Wasser im Fluss, der daraufhin viele kostbare Steine, einschließlich den von Parvati verlorenen, heraus warf. Seit damals kocht das Wasser hier und spuckt Schwefelgas nahe am Ufer. Guru Nanak, der erste Heilige der Sikkh-Religion besuchte die heiligen Quellen von Manikaran und man erzählt sich von vielen Wundern, die hier geschehen sein sollen.
  Ting Po

 
 
 

Kullu Tal
 

 
 
 

Kullu Tal II
Fotos von Ting Po - 1975

Es ging auf einer abenteuerlichen Straße aus dem Kullu-Tal ins Parvati-Tal. Mein Magen und meine Nerven hatten einiges auszuhalten. Einige Male sah ich unten in der Schlucht einen abgestürzten Bus. Aber die verzaubernde Landschaft entschädigte für alles.

Und endlich sah man aufsteigende Dämpfe. Über eine Brücke überquerte man den Parvati-River. Ich nahm Quartier, wie die meisten Mitreisenden im Gurudwara. Eine kostenlose Herberge, die jedermann offen steht. Der Sikkh-Tempel wurde über der Quelle gebaut, und es gibt ein großes Bad mit heißem Wasser. Hier ist eine hohe Dosis an Uran und radioaktiven Mineralien festgestellt worden.

Ich saß stundenlang am Rande des Beckens mit den Beinen zur Hälfte im heissen Wasser, dem heilende Wirkung zugeschrieben werden. Sowohl körperlich, als auch geistig. Irgendwann traute ich mich ganz in das sehr heisse Wasser rein, und schwamm zum Erstaunen der indischen Pilger, durch das halbe Becken. Danach ging ich zu den Saddhus, die neben dem Tempel, vor einer kleinen, kochenden Quelle, ihr Lager aufgeschlagen hatten. Der Boden war an einigen Stellen so heiß, das man aufpassen musste, sich nicht die Füsse zu verbrennen, da man sich natürlich barfuß im Tempel bewegte. Vom Bad ziemlich ermüdet, legte ich mich nach einem Chillum mit den Babas, in meinen Schlafsack.

Ich nahm mein Frühstück im Chaishop ein. Der einzige Platz im kleinen Ort, an dem man außerhalb des Gurudwaras etwas essen konnte. Hier traf ich Steve und Maria aus England, die mich zu sich in ein angemietetes Zimmer einluden. Stolz zeigten sie mir, was sie in einer Woche angesammelt hatten. Circa 500 Gramm bestes Charas.
"Wir sind jeden Tag höher in die Berge gelaufen, und haben den zurückkommenden Leuten den Shit abgekauft. Die gehen bis auf 4000 Meter rauf. Da sind die Pflanzen am harzigsten. Auf halben Wege gibt es einen Chaishop, wo Du vielleicht auch mehr bekommst. Das wird dann in jedem Falle teurer."
"Wieviel sind eine Tola und was kostet das Gramm, Steve?"
"Eine Tola sind knappe 11,7 Gramm und kostet 10 Rupien. In Goa bekommst Du dafür mindestens 100."
Er zeigte mir seine selbstgebaute Waage aus Blechdosendeckeln und drei Münzen. 1, ½ und ¼ Rupie in Silber aus der Kolonialzeit. Und die wogen genau 1, ½ und ¼ Tola.
 

 
 
 
Silber-Rupee von 1917
Foto von Peter Engelhardt

"Mehr als ein bis zwei Tolas schaffen auch die Besten nicht an einem Tag zu ernten. Weißt Du, wie sie es ernten?"
"Ja, hab ich auf dem Weg von Rishikesh nach Kedarnath
gesehen. Ich habs auch versucht, aber ziemlich lange dafür gebraucht!"
"Ja, das ist eine Kunst für sich! Willst Du meine Waage kaufen? Ich besorge mir eine Richtige in Delhi!
Sagen wir 50 Rupees!"
"Ja, gerne! Die kann ich wirlich gut gebrauchen!"
"Du könntest auch unser Zimmer übernehmen!"
"Oh ja, das nimm ich auch gerne an!"
"Weißt Du, daß in Kullu gerade das 'Dussehra' stattfindet?"
"Nein!"
"Mehr als hundert Statuen von Gottheiten werden aus den umliegenden Dörfern, begleitet von Musik, nach Kullu gebracht, um Lord Raghunath die Ehre zu erweisen. Das Fest dauert eine Woche mit einem riesigen Markt. Solltest Du Dir nicht entgehen lassen! Wir fahren morgen über Kullu nach Pushkar in Rajasthan. Dort findet ein riesiger Kamelmarkt statt, an einem heiligen See, am Rande der Wüste! Hier hab ich noch ein Geschenk für Dich!"
Er gab mir einen, in einem Silberpapier eingewickelten, LSD-Trip auf Papier.
"Acid vom Feinsten. Wir müssen jetzt schlafen gehen, da wir morgen früh raus müssen. Ich sage dem Vermieter Bescheid, daß Du das Zimmer übernimmst. Viel Glück und eine schöne Reise!"
"Danke für die Tipps, vor allem für das acid. Wahrscheinlich sehen wir uns in Goa!"
"See you Christmas in Goa, Chris!"

Dankbar nahm ich am nächsten Tag mein neues Quartier in Besitz. Auch wenn ich die Gesellschaft der Pilger, und vor allem der Babas genoss, war es doch angenehm, einen Platz zu haben an dem man sich zurückziehen konnte. Ich war jetzt der einzige Ausländer in Manikaran, wahrscheinlich im ganzen Parvati-Valley. Hier gab es außer einem Reis mit Dhal, dem indischen Nationalgericht aus Linsen, im Tempel und vielleicht ein paar Pakoras aus Kartoffeln und Zwiebeln in Kichererbsenmehl im Chai-Shop nichts zu essen. Ich beschloss am nächsten Tag nach Kullu zu fahren, mir das Fest und den Markt anzuschauen, und ein paar Lebensmittel einzukaufen.

In Kullu erwartete mich ein riesiger, bunter Markt mit Kunsthandwerk aus vielen Regionen des Himalaya und eine fantastische Prozession der auf Sänften getragenden Götterstatuen.
  Peter Engelhardt

 
 
 

Prozession der Götterstatuen

Die waren zum Teil aus Gold und Silber gearbeitet, und mit Blumen geschmückt. Begleitet wurden sie von Musikern, die in große silberfarbene Hörner bliesen.
  Remy Galet-Lalande

 
 
 

Hornbläser
Fotos von Remy Galet-Lalande - 1975

Ich kaufte mir einen Kullu-typischen großen Schal. Außerdem Trockenfrüchte, Nüsse, Süßigkeiten, Äpfel und Kartoffeln. Mit einer Vielfalt von neuen Eindrücken und mit reichlich Proviant versorgt fuhr ich zurück in mein kleines Dorf, wo ich spätabends ankam. Ich verstaute die Vorräte in meinem Kämmerchen und ging mit ein paar Kartoffeln zu den Babas, die sich riesig darüber freuten. An einer Stelle war das Wasser der Quelle so heiss, daß man dort seinen Reis kochte oder wie jetzt meine Kartoffeln. Ich erzählte von dem Dussehra in Kullu und erfuhr, das auch ein Fest in Manikaran stattfinden würde.

Am nächsten Morgen herrschte Festtagsstimmung im Dorf. Es wurden Stände aufgebaut, und die Leute putzten sich und ihre Häuser. Nach einem Chai mit Zwieback und ein paar Äpfeln, Trockenfrüchten und LSD im Gepäck, den Harinder-Berg vor Augen, trat ich meinen Weg bergaufwärts an. Ein Blick auf ihn soll von allem Übel befreien, genauso wie das Bad in den heiligen Quellen. Manikaran liegt auf 1737 Metern, und ich ging an diesem Tag vielleicht 1000 Meter höher. Unterwegs bot mir eine alte Frau eine halbe Tola an. Die Arbeit von ein paar Stunden. Ich gab ihr 5 Rupien und einen Apfel, über den sie sich wahnsinnig freute. Sie schien schon lange keinen mehr in ihrer Hand gehalten zu haben, weil sie ihn zärtlich streichelte. Es freute mich jemanden glücklich gemacht zu haben, und ich war es auch. Wahrscheinlich würde der Schatz mit der gesamten Familie geteilt werden. So beflügelt, packte ich meine Silberfolie aus, und legte das acid auf meine Zunge. Ich genoss das Gefühl und schluckte das Papier erst nach einigen Minuten hinunter. Als ich den Chai-Shop erreichte, hatte ich schon 3 Tolas zusammen. Und jetzt zeigte das Acid seine Wirkung.

Ich fand mich in einer bunten Runde von Händlern wieder. Das überraschte mich jetzt etwas, obwohl mir Steve das ja erzählt hatte, und ich war etwas verunsichert. Auch wenn ich ihre Sprache nicht verstand, bekam ich doch den Inhalt ihrer Gespräche mit. Ohne sie lief nichts, wenn man schnell an eine größere Menge kommen wollte. Für mich war es jetzt aber auch nicht der Moment für Geschäfte und ich ging hinaus, und genoss die grandiose Aussicht auf ein anderes Tal. In ein Tal von vielen Tälern. Der Himmel färbte sich langsam, und nahm die Farbe vom Rhododendron an, der die Landschaft in ein rotes und violettes Meer tauchte. Es war das Startsignal zu einer bunten Prozession, die sich bergabwärts in Bewegung setzte. Alle liefen zum Fest, in ihren besten Gewändern, mit ihrem schönsten Schmuck und einem verzaubernden Lächeln. Es wurden immer mehr, und ich war mittendrin.

Manikaran strahlte ungewöhnlich durch die vielen zusätzlichen Lichter. Es roch nach frittierten Süßigkeiten und Pakoras. Im Shiva-Tempel tanzten tibetische Lamas in prächtigen Gewändern. Sie drehten sich im Kreise, um ihre eigene Achse. Der ganze Raum schien zu kreisen und anscheinend notierte die Umgebung meinen Zustand. Aber sie waren mir wohlgesonnen. Ich schloss meine Augen und sah mich bis auf mein Innerstes entblösst vor einem Buddha. Ich kam mir so klein wie eine Maus vor und noch kleiner. So klein wie ein Ei - dem Urbild des Lebens. Als Kranich schwang ich mich in die Lüfte und auf gleicher Augenhöhe mit dem immer größer werdenden Buddha verlor ich mich im unendlichen Raum. Verloren in der Ewigkeit...
 

 
 
 

Verloren in der Ewigkeit
Aquarell von Bernhard Leyendeckers

Nach dem Ende der Tänze ging in mein Zimmer und entnahm meinem Proviant eine Schachtel mit Süßigkeiten. Ich versteckte sie unter meinem Schal und ging zur Quelle, deren Dämpfe in allen Regenbogenfarben erstrahlte. Die Babas strahlten mich an und strahlten noch mehr als ich meine Schachtel herauskramte. Ich legte sie in eine Ecke mit den Worten:
"Das Wasser ruft mich! Ich komme gleich wieder. Passt gut auf die Leckereien auf!"
"Lass uns nicht zu lange warten!" antworteten sie, und ihr Lachen fand Widerhall im ganzen Tempel.

Das Bad gehörte mir allein. Diesmal gewöhnte ich mich schnell an die 40° - 50° Wassertemperatur, und schwamm immer wieder durch das Lebenselixier. Unterhalb des Tempels war der Parvati-River zum Teil zugefroren, dementsprechend war die Außentemperatur. Ich weiss nicht, wie oft ich, nur in Unterhose bekleidet, aus dem heißen Wasser ins Freie lief, den halb zugefrorenen Fluss sah, und wieder zurück ins heisse Wasser stürzte. Aber ich erinnere mich, das ich den Temperatur-Unterschied immer weniger spürte. Sich fast aufhob. Das hätte ich noch ewig machen können, aber ich erinnerte mich an meine Freunde, die sich auf das Naschwerk freuten.

Ich ging zu den in orange und rot gekleideten Babas - es mögen 12 gewesen sein - und sie freuten sich wie Kinder, als ich die Schachtel in ihre Mitte stellte. Ich wurde von ihrer Energie getragen!
"OHM... shanti... shanti..."
sagte ein sehr junger Saddhu zu mir, und deutete auf das brodelnde Wasser.
"Die Stimme Shivas! Shanti... shanti."

Ich setzte mich direkt gegenüber der kochenden Quelle. Es schien mir, dass Shiva mir über den kontinuierlichen Kreislauf des Lebens und der Reinkarnation, von der Zerstörung und der Entstehung erzählte. Ich wurde in eine nie endende mehrfarbige Spirale gesaugt; bestehend aus roten Rubinen, blauen Saphiren, Feueropalen und Aquamarinen.
  Bernhard Leyendeckers

 
 
 

Im Inneren eines Wassertropfens
Digitales Bild von Mimulux

Ich entfernte mich etwas und konzentrierte mich auf einen Wassertropfen und tauchte wieder in diesen kosmischen Strudel ein. Der Makrokosmos im Mikrokosmos... das Innen ist außen und das Außen ist innen!

Zurück im Kreise meiner Freunde wurden deren Augen zu Kaleidoskopen. Als der Älteste mit seinen langen weißen Haaren, seinem langen weißen Bart im purpurfarbenen Gewande mir ein Burfi aus Milch, Zucker und Pistazien, eingewickelt in Blattsilber, reichte, kam er mir vor wie der Weihnachtsmann. Am Rande unseres Platzes hatte sich jemand in einem Holzverschlag zurückgezogen. Man sah nur manchmal seine Hand, die er herausstreckte, wenn ein Chillum kreiste, oder wenn es etwas zu essen gab; was jedesmal zu Gelächter führte. Man konnte ihm nichts verheimlichen. Als nur noch eine Köstlichkeit übrig war, kam prompt seine Hand heraus.

Noch eine Woche lang ging ich auf meine tägliche, vergnügliche Einkaufstour. Mittlerweile kannten mich die Einheimischen. Viele erkannten auch Steve's Waage, was zusätzliches Vertrauen schaffte. Jetzt wurde es auch immer kälter hier oben und es wurde Zeit in den Süden zu ziehen.


weiter
  Mimulux

 
 
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© by Chris De Bié admin: 17.03.2019