Chris De Bié - Storia Theurgica - The Hippie trail - www.storiatheurgica.net
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Storia Theurgica
The Hippie trail


Einleitung

- _1. Die Flucht
- _2. Tor zu Asien
- _3. Persien
- _4. Afghanistan
- _5. Pakistan
- _6. Indien
- _7. Nepal
- _8. Zurück nach Europa
1. Die Flucht

 
 

Kurz vor meiner Flucht - 1976

  Chris De Bié

 
 
PERPETUUM MOBILE

Musik von Adrian Ouarar


"Hallo Chris! Hallo Chriiis! Komm mal rauf."
"Hallo Ferdi! Was gibt`s?"
"Weißt Du, dass Du im Moment der meist gesuchte Mann in Köln bist?"
Er suchte im Chaos seiner Aktenschränke nach dem Fall von Basti, der seit einigen Monaten in U-Haft saß.
"Kennst Du den?"
"Neiiiin! Das darf doch nicht wahr sein. Er hat nicht nur....Scheiße."
"Chris, hau jetzt ab. Das könnte mich mindestens meine Lizenz kosten. Hau ab aus Deutschland. Du stehst auf der Fahndungsliste!"
Mit nassen Augen umarmten wir uns.
"Tschüss Ferdi! Das werde ich Dir nie vergessen."
"Tschüss Chris. Gott beschütze Dich!"

Glücklicherweise hatte ich Ferdi um die Verteidigung von Basti gebeten. Sonst hätte ich nie die Aussage von Joe gelesen, die uns beide belastete. Jetzt kannten die Bullen erst recht die Dimension unserer Geschichte. Ferdinand war ein kiffender und schwuler Säufer. Er hatte sein ganzes Vermögen mit Strichern durchgebracht. Aber er war ein verdammt guter Anwalt, und ein verdammt guter Freund. Mit seiner Hilfe hatte ich immerhin die Chance, der deutschen Justiz, zumindest vorerst, zu entkommen. Mindestens 5 Jahre Knast...oder?

 

Grafik von Chris De Bié

Nach einer durchzechten Nacht saß ich am Rheinufer und rauchte einen Joint. Vielleicht meinen vorerst letzten. Ich betrachtete den Dom, vielleicht zum letzten Mal. Seltsame und Angst einflößende Wesen schienen dort Ihr Unwesen zu treiben. Waren das Vorboten meiner Zukunft?
Mein geliebtes Köln, werde ich Dich jemals wiedersehen?
  Adrian Ouarar

 
 
 

Siebdruck von Chris De Bié

Was für ein Sonnenaufgang. Sieht man nicht so häufig in Köln. Langsam wich meine nächtliche Furcht und eine lichte Hoffnung kam auf. Auf dem Nachhauseweg traf ich einige Freunde, die mich zum Kaffee einluden. Unsere Verabschiedung hatte etwas Beklemmendes. Ich sollte sie nie wieder sehen.

Nachdem mich Joe beklaut hatte, musste ich meine Wohnung aufgeben und fand vorübergehend Unterschlupf im Haus von Peter. Er schlief noch. Ich legte Robert Wyatt's 'Rock Bottom' auf. Seit Monaten meine Lieblingsplatte. Die Musik klang noch trauriger als sonst. Es folgte Wyatt's 'Moon in June' von Softmachine 3rd. Diese Musik sollte mich auf meiner ganzen Reise begleiten. Später in Indien sang ich mal:
"Living is lovely here in Hindustan ... stan ... stan ... but I wish I were home again ... back home again .... Oh I miss the rain ... tikkitakkitikki ... and I wish I were home again ... home again ... again."

Ich rief Jörg an. Mit ihm wollte ich in ein paar Wochen die seit langem geplante Reise überland nach Nepal antreten. Mit viel Geld in der Tasche und vielen Träumen. Irgendwo Land kaufen, ein Haus bauen, mir mein Paradies schaffen. Aber jetzt würde ich diese Reise nicht ganz freiwillig und mit wenig Geld antreten müssen. Glücklicherweise hatte ich einen nagelneuen Pass, 5 Jahre gültig.

"Hallo Jörg! Wir müssen uns sofort treffen."
"Hallo Chris! Ach, um diese Uhrzeit?"
"Ja. Es ist sehr wichtig. Den Rest erkläre ich Dir besser nicht am Telefon."
"Klar Chris. Bis gleich"
Ich rief noch vier weitere Freunde an und lud sie zum Frühstück ein. Ohne nähere Erklärungen. Peter wachte auf.
"Guten Morgen! So früh schon auf den Beinen?"
"Ich habe gar nicht geschlafen, war die ganze Nacht unterwegs. Ich habe ein paar Freunde zum Frühstück eingeladen."
"Wieso, gibt's was Besonderes?"
"Ja, wirst Du gleich sehen."
Als alle versammelt waren, offenbarte ich mich.
"Schön, dass Ihr alle gekommen seid. Ich habe gestern Ferdi, den Anwalt von Basti getroffen. Joe ist verhaftet worden. Er hat mir nicht nur alles geklaut, er hat auch alles verraten. Ihr habt wahrscheinlich Glück. Ich würde Euch niemals bescheißen. Hört mit allen Geschäften auf. Wir haben zusammen eine Menge Geld verdient. Mir ist nichts geblieben. Jetzt müsst Ihr mir helfen.
"Jörg, willst Du immer noch mit mir fahren?"
"Aber sicher Chris. Wann willst Du los?
"Am besten morgen schon. Lasst uns alle morgen hier noch mal treffen. Ich bin gespannt, wie viel zusammenkommt. Meine Platten und Bücher könnt Ihr ja auf dem Flohmarkt verkaufen. Und schickt mir das Geld dann nach."
"Tschüss Chris. Bis morgen."

Ich lief nochmals durch die Stadt und nahm Abschied von meinem geliebten Köln. Hätte mich gerne von meiner Mutter und von ein paar Freunden verabschiedet. Aber ich wollte weder sie noch mich in Gefahr bringen.

24 Stunden später saßen wir im Zug nach Salzburg. Mit ungewisser Zukunft, aber mit 3000 DM in der Tasche. Meine Freunde hatten mich nicht enttäuscht.
"Jörg, ich steige in München aus. Es ist mir zu riskant, mit dem Zug die Grenze zu passieren. Ich werde einen anderen Weg finden. Warte bitte eine Woche lang in Salzburg auf mich. Täglich um 12 Uhr am Bahnhof. Wenn ich bis dahin nicht gekommen bin, dann..."
"Oh Chris. Ich werde auf Dich warten. Wenn es sein muss, auch länger."
"Nein Jörg! Dann fährst Du halt ohne mich!"
"Ich werde für Dich beten."
"Danke, wir sehen uns in Salzburg. Tschüss!"

Ich streifte den ganzen Tag durch München.
Dann zog mich ein Schild in einem Reisebüro magisch an:
 

 
 
 

Digitales Bild von Chris De Bié

Das ist es! Eine Tagestour nach Österreich. Daraufhin veränderte ich mein Aussehen und ließ mir die Haare kurz schneiden. In einem Secondhandladen entdeckte ich eine amerikanische College-Jacke und eine Levi's Jeans. Danach kaufte eine Fahrkarte für den nächsten Morgen und verbrachte die Hälfte der Nacht in Kinos. Wegen der Anmelde-Pflicht wagte ich es nicht ein Hotel zu nehmen.

Wie ich erwartet hatte, waren die meisten meiner Mitreisenden Amerikaner, und nahm hinten auf der rechten Seite Platz. Ich versuchte ruhig zu bleiben und meditierte die ganze Zeit.

Wir erreichten die Deutsch-Österreichische Grenze. Vorne auf der linken Seite schaute ein Grenzbeamter kurz in den Bus.
"Ich hoffe, dass alle ihre Ausweise dabeihaben, und wünsche Ihnen eine angenehme Reise."
"Oh mein Gott!", dachte ich, "Es ist geschafft. Ich werde ja nicht per Interpol gesucht, wie Kriegsdienstverweigerer, Schwerverbrecher oder Mörder. Jetzt bin ich frei, zumindest vorerst."
Man konnte mir meine Freude im Gesicht ansehen und einige meiner Nachbarn schauten mich etwas verwundert an.

Am Salzburger Bahnhof lief mir Jörg entgegen.
"Wow Chris, wie hast Du das so schnell geschafft?"
"Das erzähle ich Dir während der Zugfahrt nach Istanbul."


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© by Chris De Bié admin: 17.03.2019